I.
Kann folgende Frage in einer entwickelten, sozialen Gesellschaft einen berechtigten Hintergrund haben?
„Wird Hunderttausenden gravierend chronisch erkrankten Patienten jährlich willkürlich eine erwiesene Diagnostik zur verbesserten Behandlung und Vermeidung von Dialysen, Nierentransplantationen und Herzinfarkten in Deutschland vorenthalten?“
Die frühe, molekulare Erkennung von chronischen Erkrankungen, die erstmalig durch die Proteomanalyse möglich ist, wird in der Gerüchteküche der Berliner Gesundheitsbürokratie zur „Bedrohung der Partikularinteressen der institutionellen Mitglieder im G-BA“ erklärt. Es soll der drohende „Dammbruch verhindert“ werden, der durch eine Akzeptanz eines diagnostischen proteomanalytischen Tests den befürchteten Paradigmenwechsel durch eine frühere und effizientere Behandlung der Patienten einleiten könnte.
Der tatsächliche bzw. materiell motivierte Hintergrund erschließt sich erst durch die Erklärung von der Techniker Krankenkasse und dessen Chef, Herrn Dr. Baas, dass in der Verabredung von Teilen von Ärzten und gesetzlichen Krankenkassen gegenüber dem Gesundheitsfonds, Patienten als „chronisch erkrankt“ zur erhöhten Abrechnung nach dem morbiRSA diagnostiziert, jedoch nicht auf diese abgerechnete chronische Erkrankung behandelt werden.
Es kann daher nicht verwundern, dass die genaue und frühe Erkennung durch die Proteomanalyse bei einer der bedeutsamsten Erkrankungen wie die Diabetische Nephropathie (DN) vom Bezahlsystem durch die Bänke des G-BA ferngehalten wird. Die genaue und frühe Diagnostik könnte das illegale Bereicherungssystem mit den vorsätzlich falschen Diagnosen verhindern.
Durch die Stellung der richtigen nachweislichen Diagnose wird den Patienten das gesundheitliche Leid erspart und manipulative Abrechnungen werden verhindert. Es liegt im Wesen der Konstruktion der Selbstverwaltung des derzeitigen G-BA mit der die Dienstleistungserbringer die Macht zur eigenen Bereicherung und auch zur Diskriminierung von Innovationen der Outsider (vgl. „Bestandsaufnahme zum Gemeinsamen Bundesauschuss“ Haucap et al. 2016) erhalten, diese zu „In-sich-Geschäften“ auch zu nutzen und zu erhalten. Diese Fehlkonstruktion der Selbstverwaltung durch die direkten Leistungserbringer, anstatt dem Bundestag die Rechtsetzungs-Legitimation zu übertragen und die Aufsicht auszuüben zu lassen, führt nahezu zwangsläufig zu Lasten der Gesundheit der betroffenen Versicherten und des gesamten Gesundheitssystems. Keine andere Selbstverwaltung, selbst der unbedeutendste Wasserzweckverband, hat weniger Legitimität als der G-BA. Das Bundesverfassungsgericht hat in einem obiter dictum in der letzten Entscheidung zu Artikel 20 GG dieses Legitimationsdefizit ausführlich akzentuiert.
II.
Die Fakten:
1.
Die Proteomanalyse zur früheren und genaueren Erkennung der DN ist mit den vorgelegten klinischen Studien
a) nach den internationalen Standards der Evidenz basierten Medizin
b) nach dem aktuellen Stand des medizinischen und biochemischen Wissens in ihrem Nutzen zur erheblich verbesserten Erkennung und Behandlung der diabetischen Nephropathie erwiesen.
2.
Die Aussetzung der Bewertung des G-BA basiert auf
a) nicht akzeptierten internationalen und nationalen Standards der Nutzen-Bewertung von Diagnostischen Verfahren,
b) stellt willkürliche, gesetzeswidrige und erstmalige und ausschließliche Forderungen zur Bewertung des Nutzen-Nachweises nur gegenüber der Proteomanalyse auf, wie:
aa. es lege kein Referenztest vor, mit dem die diagnostische Qualität des innovativen Proteomtests in der diagnostischen prognostischen Güte nachgewiesen werden könne,
bb. es könne keine randomisierte Studie (RCT) auf den Endpunkt (Dauer etwa 20 Jahre) vorgelegt werden, die den Nutzen der früheren Erkennung der DN und den früheren Therapie-Einsatz der zugelassenen Medikamente nachweise.
Diese Forderungen des G-BA werden auch nach der PRIORTY Studie nicht erfüllt sein. Der Aussetzungsbeschluss des Unterausschusses des G-BA hat daher keine Relevanz auf die gestellten Kriterien zur Bewertung, zumal der G-BA im Verfahren nach § 137e SGB V der Proteomanalyse auf die DN nach wie vor selbst das „hinreichende Potenzial“ zu einer diagnostischen Verbesserung abspricht.
Mit der PRIORITY-Studie soll die Wirkung des generischen Medikamentes „Spironolacton“ auf die DN nachgewiesen werden. Die Proteomanalyse wird ausschließlich zur Stratifizierung der Patienten in der Studie verwandt. Die Albuminurie dagegen wird als diagnostischer Endpunkt in der Studie verwendet. Die vom G-BA aufgestellten Bedingungen an die Studien liegen daher nicht vor. Weder beinhaltet die Studie den geforderten harten Endpunkt, noch wird ein Referenztest, der die frühere Erkennung der DN bestätigen könnte, verwandt. Alle anderen Studienaspekte sind in den vorliegenden Studien bereits nachgewiesen.
Statt die Qualität der Proteomanalyse zu werten, warum diese in der PRIORITY-Studie zur Stratifizierung und frühen Erkennung der Diabetiker mit DN eingesetzt und akzeptiert wird,
setzt der G-BA sich mit hypothetischen Erwartungen an die Studienergebnisse auseinander, die nach dem Studiendesign von vornherein nicht zu erwarten sind.
Auch die Ausführungen im „Letter-of-Support“ der Food and Drug Administration (FDA) über die Bedeutung der Proteomanalyse wird vom G-BA nicht gewürdigt. Mit dem LOS wird erstmals eine Methode zur Erkennung von chronischen Nierenerkrankungen unterstützt. Neue Medikamente sollen damit bei ihrer Entwicklung zum Wirkungsnachweis einen verlässlichen Test bzw. Surrogatparameter erhalten.
3.
Bisher wurden als Nachweise des Nutzens der Proteomanalyse folgende Belege vorgelegt, die vom G-BA alle mit -„0“ bewertet wurden und als „Eminenz-basiertes Wissen einer medizinischen Elite“ ohne Wert für eine Bewertung betitelt bzw. vom IQWiG als „vollmundige PR“ ausgeschlossen:
a) klinische Studiennachweise der Proteomanalyse in der diagnostischen und prognostischen Qualität,
b) neutrale Bewertung der Studien nach internationaler Evidenz basierter Medizin / mit drei klinischen Studien im höchsten Level der gültigen internationalen Standards für Diagnostika nach Oxford EBM,
c) die frühe Erkennung und frühere Behandlung der Patienten mit einer DN hat eine
eindeutige therapeutische Konsequenz auf Grund des Wirkprinzips der angewandten und zugelassenen Medikamente zur Druckentlastung der Niere und damit einen erheblichen Nutzen,
d) der „Letter-of-Support“ der FDA für die Proteomanalyse auf die frühe und genaue Erkennung der chronischen Nierenerkrankungen, wie der DN bei Diabetikern.
e) die zu Leitlinien gewordenen medizinischen Erfahrungsgrundsätze, dass die frühe Erkennung von chronischen Erkrankungen eine verbesserte erfolgreiche Behandlungsmöglichkeit der Patienten darstellt,
der Stand des medizinischen Wissens an Hand folgender Studien:
– retrospektive Studien wie über 20 Jahre in den USA im Nachweis von verbesserten Behandlungserfolgen bei engerer Kontrolle der Diabetiker bei der Entwicklung von Folgeerkrankungen, wie der DN, vgl. Gregg et al. NEJM 2015,
– Studienauswertungen zum Nachweis der medizinischen verbesserten Behandlungserfolge bei früherer Erkennung und Behandlung der DN bzw. weiterer Folgeerkrankungen des Diabetes von 1990-2010, vgl. Schievink et al. Eur J Prev Cardiol. 2015.
Entscheidend sei nur jene Evidenz-basierte Medizin, die der G-BA bzw. das IQWiG zum Nutzennachweis festlege, die weder den internationalen Standards entsprechen noch dem SGB V und der Verfahrensordnung des G-BA. Damit ist auch die Aufforderung der 25 renommierten Mediziner („Eminenzen“ so der G-BA), die EU Länder mögen kurzfristig die Proteomanalyse zur DN Erkennung einführen, damit dieser Erkrankung, der „Bedrohung der westlichen Zivilisation“ (UN-Deklaration), wirksam entgegengetreten werden könne, für den G-BA genauso ohne Belang, wie die Erteilung des „Letter-of-Support“ durch die FDA. Der Begründung des G-BA ist weder eine wissenschaftliche argumentative Substanz zu entnehmen, vielmehr ist sie in sich irrational widersprüchlich.
III.
Den Diabetikern wird die verbesserte Diagnostik für Jahrzehnte vorenthalten. Jedes Jahr fallen somit mindestens 200.000 Diabetiker aus dem relevanten, noch erfolgreich behandelbaren Zeitraum heraus, um den Nierenfunktionsausfall und damit die Dialyse oder Nierentransplantation, die Herzinfarkte und weitere chronische Nachfolgeerkrankungen des Diabetes zu vermeiden. Bis zum Jahr 2020 wären das etwa 800.000 bis 1 Mio. Patienten, die aus dem effizienten Behandlungszeitraum herausfallen.
Besonders die Folgeerkrankungen des Diabetes sind eine Bedrohung für die Zivilisation der westlichen Staaten. Von den etwa 7.5 Mio. Diabetikern können bis zu 40% die DN erleiden. Wegen des niedrigen Eintrittsalters in den Diabetes, durchschnittlich ca. 43 Jahre, erleiden immer mehr Patienten die DN bis zum totalen Nierenfunktionsverlust oder erleiden zuvor den Herzinfarkt.
Da es kaum ausreichendes Zahlenmaterial in Deutschland gibt, wird auf die US Zahlen zurückgegriffen. Danach werden für die chronischen Nierenerkrankungen in Deutschland jährlich 20 Mrd. Euro pro Jahr aufgewandt. Die jährliche Steigerungsrate beträgt 5-10% und erhöht sich erheblich mit der verbesserten Versorgung von Herzerkrankungen.
Gesundheitsökonomische Berechnungen haben gezeigt, dass der Einsatz der Proteomanalyse einen durchschnittlichen Vorteil pro Risiko-Patient ermöglicht.
Da etwa 15% der Patienten mit einer DN durch die Proteomanalyse erfasst werden können, die noch behandelbar ist, ergibt sich eine Lebensverlängerung von mindestens 2 Jahren bei einer Kostenreduktion von 10.000 Euro!
Selbst wenn die geforderte RCT auf den Endpunkt einen sachlich relevanten Erkenntnisbeitrag liefern könnte, wäre eine derartige Forderung vollkommen unverhältnismäßig. Diabetiker mit einer DN sind in der Regel multimorbid erkrankt. Die Herzinsuffizienz oder die kardiovaskulären Erkrankungen in Kombination können einen möglichen Behandlungserfolg erheblich mindern, wenn nicht eine frühzeitige Erkennung erfolgt. Da die Niere auch Blutdruckfunktionen hat, kann mit der frühen Erkennung der DN auch das kardio-renale Syndrom in Teilen abgeklärt werden. Die frühere Erkennung der DN ermöglicht nicht nur weitere, sekundäre Therapieoptionen, wie Änderung der Lebensführung, sondern kann durch den gezielten Einsatz auch Folgeerkrankungen des Diabetes reduzieren helfen.
Die Verhinderung dieser Innovation im wichtigsten Bereich der Gesundheitsversorgung, der chronischen Krankheiten, geht weit über die Legitimation der im G-BA mit eigenen Interessen behafteten Leistungserbringer hinaus. In der Studie „Bestandsaufnahme zum Gemeinsamen Bundesausschuss“ der Heinrich-Heine-Universität u.a. gefördert von der Münch-Stiftung wird an vielen Fallbeispielen die Benachteiligung der Innovationen als „Outsider-Diskriminierung“ durch die einseitige Interessenausrichtung der Leistungserbringung in den G-BA Gremien aufgezeigt. Mit der Vermeidung des Fortschritts werden die sozialen Sicherungssysteme in Deutschland so nachhaltig geschädigt, dass sie spätestens im Jahre 2030 nicht mehr im derzeitigen Umfang zu halten sind.
Das Leid der Patienten und betroffenen Familien bleibt vollkommen unberücksichtigt; die eigentlichen Beitragszahler haben im G-BA keinerlei Rechte.
Wie viele Diabetiker als chronisch nierenkrank nur zu Abrechnungszwecken gegenüber den Gesundheitsfonds deklariert sind und deshalb nicht der engmaschigen Kontrolle bereits unterliegen, kann kaum eingeschätzt werden, solange genaue Diagnostika, wie die Proteomanalyse, vom Patienten fern gehalten werden. Wird die DN mit den herkömmlichen Diagnostika, wie es die Regel ist, zu spät erkannt, sind bereits irreparable Schäden an der Niere eingetreten und der weitere Funktionsverfall ist nicht mehr signifikant aufzuhalten. Jeder noch so harmlos erscheinende gefälschte Abrechnungsakt enthält bei der zu spät behandelten DN das Risiko eines erheblich kürzeren Lebens bei eingeschränkter Lebensqualität.
Das Bundesverfassungsgericht bezweifelt in seinem letzten Beschluss die Legitimation des G-BA nach Artikel 20 GG. Er hält bei Entscheidungen, die zu Lasten schwer erkrankter Patienten erfolgen, nur den Deutschen Bundestag befugt, eine derartige bedeutsame Entscheidung zu treffen.
Die notwendigen Korrekturen der rechtswidrigen Entscheidungen des G-BA kann, bis zur rechtssicheren und verfassungskonformen G-BA Nachfolgekonstruktion, nur das Bundesgesundheitsministerium als Rechtsaufsichtsbehörde des G-BA vornehmen.
IV. Weitere Erläuterungen zum Sachverhalt:
A.
Der G-BA hat wegen seiner Anforderung an die Proteomanalyse auf die genauere und frühere Erkennung der diabetischen Nephrophatie (DN) das Bewertungsverfahren bis zum 30. Juni 2020 ausgesetzt. Statt des Bewertungsmaßstabs „diagnostischer „oder“ therapeutischer Nutzen“ mit seiner normierten Grundlage in der Verfahrensordnung anzuwenden, wird erstmalig der Nachweis von einer diagnostischen Methode in der Verbindung zum therapeutischen Nutzenbeleg mittels einer randomisierten Studie (RCT) auf den harten Endpunkt (Dialyse, Transplantation, Tod) gefordert. Dies, obwohl die Medikamente bereits zugelassen sind und deren Wirkprinzip bekannt ist. Die zugelassenen Medikamente werden zur Druckentlastung der Niere angewandt. Wenn die Medikamente auf die zerstörten oder zum Teil zerstörten Nierenfilter (Nephronen) treffen, ist die Druckentlastung der noch funktionierenden Nierenfilter nicht oder kaum noch signifikant zu erreichen. Der eingetretene Nierenfunktionsverfall schreitet so dynamisch fort. Das ist der Status quo des medizinischen Wissens.
Die G-BA Forderung, den Nachweis des Wirkprinzipes der zugelassenen Medikamente auch auf den Zeitpunkt des früheren Einsatzes zu führen ist obsolet, weil sich das Wirkprinzip des Medikamentes, gleich in welchem Stadium der DN Erkrankung, nicht ändert. Die Zielwirkung ist immer gleich: die Druckentlastung der Niere. Wenn die DN jedoch früher erkannt wird, wenn noch nicht viele Nierenfilter funktionslos sind, entfaltet sich die Wirkung des Medikamentes zur Nierenentlastung wesentlich besser, wie in den Medikamentenstudien beschrieben. Warum dieser Wirkmechanismus der zugelassenen Medikamente vom G-BA bei früherer Verabreichung in Frage gestellt wird, ist nicht nachvollziehbar und widerspricht dem Stand des medizinischen Wissens und den bereits hierzu vorliegenden Studien.
Der erstmalige geforderte Dualismus in der Kombination einer Diagnostik mit dem Therapieerfolg durch eine RCT auf den harten Endpunkt mit bereits zugelassenen Medikamenten um so den Nutzen-Beleg einer Diagnostik nachzuweisen, lässt nicht erkennen, welchen Erkenntniswert diese über den Stand des medizinischen Wissen hinaus haben soll. Aus der medizinischen Literatur und entsprechenden Studien ist bereits bekannt, dass eine frühere Therapie einen besseren Behandlungserfolg zeigt. Eine derartige Studie über diesen langen Zeitraum von etwa 20 Jahren in der weitere Erkrankungen die multimorbiden Diabetikern ereilen wird nur sehr beschränkt oder sogar keine aussagefähigen Erkenntnisse für nur eine Krankheitsbehandlung, wie der DN, beisteuern können.
Diese absurde Forderung einer RCT auf den Endpunkt soll also den befürchteten „Dammbruch“ der etablierten Gesundheitsbürokratie der durch die Proteomanalyse mit ihrer Kosten reduzierenden effizienten frühen Erkennung und Behandlung von chronischen Erkrankungen entstehen könnte, vermeiden helfen. Da kein Ethikvotum für eine derartige Studie zu erreichen ist und sie auch praktisch mit mehreren hunderttausenden Patienten nicht durchführbar ist, wird es diesen Studiennachweis nie geben.
Ein ebenso nicht zu erfüllendes Kriterium des G-BA und seines IQWiG-Institutes ist, dass ein Referenztest vorgelegt werden soll, mit dem die erstmalig früh zu erkennende DN durch die innovative Proteomanalyse bewertet werden kann. Das ist ein willkürliches KO-Kriterium zur Bewertung von Innovationen, die deshalb welche sind, weil sie neue Möglichkeiten erschließen, die zuvor nicht möglich waren. Da können Referenztests nicht vorhanden sein.
Zudem schränkt der G-BA die möglichen therapeutischen Maßnahmen in der frühen Phase der DN Erkennung ohne medizinische und sachliche Legitimation auf eine Medikamentengruppe ein und sanktioniert so massiv in die medizinische Therapiefreiheit.
B.
Erstmals wurde die „Nutzenbewertung“ während des laufenden Verfahrens vom IQWiG von der Bewertung des „diagnostischen“ auf die des „diagnostischen und therapeutischen“ Nutzens mittels einer RCT auf den Endpunkt ausgeweitet. Weder findet sich im SGB V noch in der Verfahrensordnung des G-BA hierfür eine Rechtsgrundlage. Wenn die notwendige Transparenz im gesetzlich vorgeschriebenen Bewertungsverfahren vom G-BA eingehalten worden wäre, hätten diese Kriterien einer erstmaligen Forderung einer RCT auf den Endpunkt schon bei der Annahme des Antrags der KBV angewendet werden müssen. Dann wäre es schon zur Annahme und der Beauftragung des IQWiG‘s gar nicht gekommen. Damals im Jahre 2011 und Beginn 2012 lag als Studiengrundlage nur eine longitudinale retrospektive Studie mit 35 Patienten und Proben über 12 Jahren mit 315 Proben vor. Das Ergebnis der Genauigkeit von über 95% hat damals jeden begeistert.
Seit dem Beschluss des G-BA die Aufnahme der Proteomanalyse in den EBM Katalog zu prüfen, sind weitere bedeutende klinische Studien sowohl hinsichtlich des Nachweises der Genauigkeit als auch der früheren Erkennung (u.a. im Vergleich zum Goldstandard) erstellt worden. Inzwischen sind bereits 11 Studien mit über 3.000 Patienten in hochrangigen Wissenschafts-Journalen veröffentlicht.
Diese Studien wurden neutral nach den international gültigen Standards von Cristelis, Heerspink et al. eingestuft und drei Studien mit dem höchsten Level nach Oxford EBM ausgewiesen. Diesen Studienmarathon müssen nicht einmal in den menschlichen Organismus eingreifende neue Medikamente bis zu ihrer Akzeptanz absolvieren.
C.
Aus welchen Gründen die KBV erst einen Antrag auf Aufnahme der Proteomanalyse auf DN in den Bezahlkatalog der GKVen stellt und im September 2013 dem Verfahren selbst das „hinreichende Potenzial“ abspricht, kann nur mit deutlich gewordenen eigenen Interessen erklärt werden, die sich inzwischen durch gewachsene Kenntnisse über die Möglichkeiten der Proteomanalyse eingestellt haben.
Inzwischen erfolgte eine Kampagne des Verbandes Deutsche Nierenzentren e.V. mit einem Schreiben (vom 12. November 2012) an alle Gesundheitspolitiker und alle Institutionen in und um den G-BA. Es würden weitere Studien über die Proteomanalyse von dem Verband gefordert, bevor die Diagnostik in die Routine aufgenommen wird. Ebenso sollten nach Auffassung des Verbandes, der nahezu ausschließlich aus den Inhabern oder Angestellten von Dialysezentren besteht, die Preise für die Proteomanalyse gesenkt werden. Hintergrund: Die Dialyseärzte sind in der KBV vertreten und leisten mit ihren Beiträgen einen bedeutenden Anteil zur Kostendeckung des KBV.
Eine Innovation in diesem Stadium der Entwicklung hat sich noch nie dieser Aufmerksamkeit potenzieller Konkurrenten ausgesetzt gesehen. Natürlich wird durch die Früherkennung der DN und deren frühere Behandlung die Dialyse herausgeschoben oder nicht notwendig. Das kann anfangs nur für die Diabetiker gelten, die rechtzeitig auf die DN erkannt wurden. Die Diabetiker, die bereits aus dem behandlungsrelevanten Zeitraum herausgefallen sind, werden die Dialyse erleiden, wenn sie nicht zuvor einen Herzinfarkt (letal) erlitten haben.
Die moralische Dimension einer Interessensorganisation, die wirtschaftlich auf schwer erkrankte Patienten ausgerichtet ist, bereits im frühen Stadium Einfluss auch über die KBV nimmt, um eine Innovation zu behindern, die auf die Reduktion dieser Schwersterkrankung, wie dem Nierenfunktionsverlust zielt, zeigt die problematische Stellung der KBV mit der Dominanz der entsprechenden Fachärzte mit wirtschaftlich geprägten Interessen auf.
D.
Das hinreichende Potenzial einer innovativen Methode liegt nach dem Gesetzgeber vor, wenn „aufgrund des Wirkprinzips und der bisher vorliegenden Erkenntnisse die Erwartung verbunden ist, dass andere aufwändigere, für den Patienten invasivere oder bei bestimmten Patienten nicht erfolgreich einsetzbare Methoden ersetzt werden können, die Methode weniger Nebenwirkungen hat, sie eine Optimierung der Behandlung bedeutet oder die Methode in sonstiger Weise eine effektivere Behandlung ermöglichen kann.“
Im Beschluss zur Ablehnung des „hinreichenden Potenzials“ führt der G-BA aus, dass „es sich bei der Proteomanalyse nur um sehr theoretische, hypothetische Chance handele, deren konkrete Realisierung nicht nachvollzogen werden könne“. Die bisherigen Studien würden auch Diabetiker mit einer DN enthalten, die einen Typ I und Typ II Diabetes hätten und daher nicht aussagefähig für eine Diabetische Nephropathie mit nur Typ II Diabetikern sei. Offenkundig fehlt es an dem vom G-BA gerügten „Eminenz“-Wissen, sonst wäre aufgefallen, dass es keine spezifische DN – unterschieden nach Typ I oder Typ II Diabetiker – in der medizinischen Literatur gibt. Der G-BA, der das IQWiG zur Bewertung im § 135 SGB V beauftragte und die KBV als Antragstellerin, behaupten ein Jahr später, nach verbesserter Studienlage, dass noch nicht einmal das „hinreichende Potenzial“ gem. § 137e SGB V der Proteomanalyse vorliege. Das Gerücht über die „Dammbruch-Vermeidung“ erhält so erstmals eine offenkundige Substanz, deren unmittelbaren materiellen Interessen erst jetzt öffentlich werden.
E.
Die Verhinderung der Diagnostik mittels der Proteomanalyse geht aber weit über die „Grauzone“ des Erträglichen hinaus. Es bestehen zwei Verfahren nach § 137e SGB V. Das eine hat auch die Proteomanalyse zur genauen und frühen Diagnostik der diabetischen Nephropathie zum Gegenstand, wie dargelegt. Im weiteren Verfahren wurde für die Diagnostik des Gallengangskrebses zur Abgrenzung zur primär sklerosierenden Cholangitis (PSC; eine chronisch verlaufende Entzündung der Gallengänge) eine Erprobungsstudie beantragt.
Das „hinreichende Potenzial“ wurde der Proteomanalyse auch zur Erkennung des Gallengangskrebses in Abgrenzung zur PSC verwehrt. Die Proteomanalyse verbessert nach vorgelegten Studien die Gallengangskrebs-Erkennung auf über 95 Prozent und vermeidet bei etwa 80 Prozent der Patienten die falsche Therapieentscheidung. Die PSC Patienten erhalten in letzter Konsequenz zur Behandlung ein Lebertransplantat. Wurde der Gallengangskrebs nicht erkannt, was bisher nur mit einer Genauigkeit von 50 bis 60% der Fall war, verstirbt der Patient innerhalb weniger Wochen, weil die Immunsuppressiva den Krebs explodieren lassen. Zudem wird zur Kontrolle der zusätzlich entwickelte Urintest zum Gallensekret-Test eingesetzt, um die invasive ERCP (1% letal, 5% erhebliche Komplikationen) zu reduzieren.
Auch diesem Krebserkennungstest versagt der G-BA das „hinreichende Potenzial“. Sachlich medizinisch genauso wenig nachvollziehbar, wie bei der Proteomanalyse auf die DN-Erkennung.
Allerdings: nach dem Gerücht „zur Vermeidung des Dammbruches“ erklärt sich alles.
Hannover, den 18. Oktober 2016
Joachim Conrads